Kleine Reise in die Vergangenheit

Von Agios Nikolaos aus brechen wir zu einer kleinen Tour auf, die uns ein wenig in die Vergangenheit führt. Wir wollen den vermeintlich ältesten Olivenbaum Kretas besuchen. Dieser Baum wurde zu Zeiten der Minoer gepflanzt und steht unweit des Örtchens Kavousi. Bei einem Spaziergang durch Kavousi sehen wir den alten Teil des kleinen Ortes mit seinen alten und traditionellen Bauten und wir besuchen den neuen und modernen Ortsteil.

Anschließend setzen wir unsere Fahrt fort zum Fischerdorf Mochlos. Vor über 3.000 Jahren lag hier, nach Ansicht von Archäologen ein vermeintlich wichtiger Hafen der Minoer. Wir werden beim Besuch des alten Olivenbaumes auch auf die Verbindung zur griechischen Mythologie stoßen und uns etwas mit der aktuellen Bedeutung des Olivenanbaus beschäftigen.

Wie der Olivenbaum zu den Menschen kam

Wer den oder die ältesten Olivenbäume sucht, stößt auch irgendwann auf die griechische Mythologie. Sie beschreibt, wie der Olivenbaum zu den Menschen kam und welche Rolle die Göttin Pallas Athene dabei spielte.

Als Athen aufbrach, sich von einem damals noch namenlosen Ort zu einer bedeutenden Stadt zu entwickeln, kam es auf dem Olymp zu einem Streit, wer von den Göttern der Stadt seinen Namen verleihen sollte. Maßgeblich beteiligt an diesem Streit waren Poseidon, der Gott der Meere und Pallas Athene, die Göttin der Weisheit. Um dem Streit ein Ende zu bereiten, entschied Göttervater Zeus, dass seine Schwester Athene und sein Bruder Poseidon der Stadt ein Geschenk bringen sollten. Die Einwohner Athens sollten dann entscheiden, welches Geschenk für sie einen größeren Nutzen bringen würde.

Poseidon stieß seinen Dreizack in den Boden, worauf sich der Boden für einen Brunnen öffnete. Da Poseidon aber der Gott der Meere war, spendete der Brunnen nur Salzwasser.

Daraufhin stieße Athene einen Speer in den Boden, aus dem ein Olivenbaum sprießte. Die Einwohner Athens entschieden sich für den Olivenbaum. Die Göttin lehrte die Athener welchen Nutzen sie aus diesem Baum ziehen können. Sie brachte ihnen bei, das Holz zu nutzen, die Oliven zu ernten, zu verarbeiten und aus ihnen das wertvolle Öl zu gewinnen.

Bedeutung des Olivenanbaus

Im Lauf der Jahrtausende wurde der Olivenbaum eine der wichtigsten Kulturpflanzen im Mittelmeerraum und ganz besonders auf Kreta. Der Olivenbaum und das Olivenöl haben in der kretischen Mythologie, Geschichte, Kunst, Religion sowie dem sozialen und wirtschaftlichen Leben kretischer Menschen in Jahrtausenden einen festen Platz gefunden und sind hier nicht mehr wegzudenken. Der jährliche Durchschnittsverbrauch an Olivenöl liegt auf Kreta heute bei ca. 30 Liter pro Kopf. Olivenhaine bedecken heute fast ¼ der Gesamtfläche der Insel und bestimmen die meisten Arbeitsplätze in der Landwirtschaft. Sie stellen 55 % des gesamten Ernteaufkommens der Insel. Der aktuelle Bestand an Olivenbäumen wird auf ca. 30 Millionen geschätzt (1).

Olivenbäume
Der Olivenbaum in der griechischen Mythologie, ein Geschenk der Göttin Athene – Foto HUB

Kretische Oliven und kretisches Olivenöl genießen heute weltweit wegen ihrer Qualität höchste Anerkennung und werden nicht zuletzt wegen ihrer gesundheitsfördernden Wirkung als Lebenselixier betrachtet. Auch in Deutschland gibt es mittlerweile mehrere Internethändler, die hochwertiges kretisches Olivenöl und andere Produkte der Insel vertreiben.

Ausflug zum ältesten Olivenbaum

Anreise ab Agios Nikoalos

Ein lohnendes Ziel bei der Erkundung des Ostteils von Kreta ist einer der ältesten Olivenbäume der Welt. Er steht in der Nähe des kleinen Ortes Kavousi. In Agios Nikolaos brechen wir zu unserer Begegnung mit diesem Zeugen aus der minoischen Epoche auf. Wir fahren auf der Staatsstraße in Richtungen Sitia. Bis zu unserem Ziel haben wir 64 km durch eine abwechs­lungsreiche Landschaft vor uns. Wir durchfahren den lebhaften Ferienort Ammoudara. Er ist geprägt von Stränden sowie von vielen kleinen Geschäften und Tavernen. Schließlich passie­ren wir die Ausgrabungen von Gournia ohne Halt. Den Besuch der Ausgrabung haben wir für einen weiteren Ausflug auf der Agenda. In einer flachen Ebene mit einer faszinierenden Küstenlandschaft erreichen wir die schmalste Stelle der Insel. Hier hat sie noch eine Breite von ca. 12 Kilome­ter. An diesem Punkt zweigt auch eine Straße nach rechts in Richtung Ireapetra ab.

Nachdem wir den Abzweig passiert haben, beginnt die Straße anzusteigen und wir erreichen nach einigen Kilometern den Ort Kavousi. Wie aber finden wir nun den legendären Olivenbaum? Wir entscheiden uns, die Staatsstraße zu verlassen und fahren in den Ort hinein. Vor einer kleinen Basilika finden wir auch einen Parkplatz und einen Einheimischen, der uns den Weg beschreibt.

Aufstieg zum ältesten Olivenbaum

Für uns beginnt schon innerhalb des Ortes ein steiler Anstieg durch immer enger werdende Gassen. Vom Ortsrand führt der Weg zunächst über Felder. Nach kurzer Zeit geht der Weg in einen steinigen steilen Pfad über, der durch Olivenhaine führt, die immer wieder von dichtem Gestrüpp unterbrochen werden.

Aufstieg zum ältesten Oöivenbaum
Der Anstieg zum alten Olivenbaum war steinig und schwer – Foto HUB

Zum Glück haben wir uns für diesen Ausflug stabiles Schuhzeug ausgewählt. Der Anstieg wird schließlich noch steiler und erfordert zuweilen schone eine echte „Kraxelei“. Als Entschädigung bietet sich für uns bei einem Blick zurück ein wunderbares Panorama. Unter uns liegt das kleine Dorf Kavousi, umgeben von weiten Olivenhainen und im Hintergrund der Golf von Mirabello. Am gegenüberliegenden Ufer des Golfs ist die weiße Skyline von Agios Nikolaos zu erkennen. 

Golf von Mirableo
Blick auf den Golf von Mirabello – Foto HUB

Nachdem wir bei diesem Ausblick etwas verschnaufen konnten, setzen wir unseren Aufstieg fort und stoßen schließlich auf eine unbefestigte Straße, von der wir das Ziel unserer Anstrengungen schon ausmachen können.
Nach 40 Minuten anstrengenden Anstiegs haben wir unser Ziel erreicht. 

Über 3000 Jahre Geschichte

Auf einem kleinen Plateau stehen wir vor einem Baum, dessen Alter unsere Vorstellungskraft übersteigt. Seit mehr als 3.000 Jahren steht dieser Baum hier, gepflanzt zu Zeiten der ausgehenden minoischen Epoche und mehr als 1.000 Jahre vor der Zeitenwende. 

Kaum zu glauben, dass dieser Baum schon zu Zeiten der Minoer gepflanzt wurde, vor mehr als 3000 Jahren – Foto HUB

Beeindruckend ist nicht nur seine Höhe von sieben Metern, sondern auch sein Stamm mit einem Durchmesser von 4,90 Meter und einem Umfang von 14,20 Metern sowie seine Krone mit einem Umfang von 34 Meter. Und ebendiese Maße sind es, welche die Grundlage für die Ermittlung des Alters bei Olivenbäumen bildeten. Bei der Methode zur Bestimmung des Alters von Olivenbäumen geht man davon aus, dass die radiale Wachstumsrate der Bäume 0,75 mm pro Jahr beträgt. Nach dieser Methode konnte man das Alter dieses Baumes auf ca. 3.250 Jahre schätzen. Die Ergebnisse dieser Methode zur Altersbestimmung werden heute übrigens durch Analysen mittels der Radiokarbonmethode bestätigt.

Der Olivenbaum von Kavousi gehört somit zu den ältesten Olivenbäumen der Welt und wird zu Recht als Monument bezeichnet. Allerdings gibt es mittlerweile reichlich Konkurrenz beim Anspruch auf den ältesten Olivenbaum. Ein weiteres solches Exemplar steht in der Gemeinde Ano Vouves in der Region Kolymvari. Dieser Baum mit einem Stammdurchmesser von 3,6 Metern und einem Umfang von mehr als 13 Metern wird auch auf ein Alter von circa 3.000 Jahren geschätzt.

Olympia und der Olivenbaum

In Vorbereitung auf die Olympischen Sommerspiele von Athen 2004 führten die beiden Olivenbäume zu einem Streit zwischen den Regionen Kolymvari und Agios Nikolaos, zu welcher Kavousi gehört. Die Verwaltung der Region Kolymvari wandte sich damals an die Stadt Athen mit dem Vorschlag aus den Zweigen des Olivenbaumes von Ano Vouves die Siegerkränze für die Sieger im Marathon bei den Frauen und Männer zu fertigen. Das hatte zur Folge, dass die Regionalverwaltung von Agios Nikolaos mit Verweis auf „ihren“ Olivenbaum in Kavousi ein analoges Ansinnen stellte. Es entwickelte sich ein Streit um den ältesten Olivenbaum zwischen den Verwaltungen von Agios Nikolaos und von Kolymvari. Denn es ging darum, wem die Ehre zuteilwerden sollte, die Siegerkränze aus den Zweigen ihrer Olivenbäume zu fertigen.

Aber der Streit wurde schließlich durch eine Entscheidung der damaligen Vorsitzenden des Organisationskomitees der Olympischen Sommerspiele von Athen, Frau Gianna Angelopoulos-Daskalaki beendet. Denn sie entschied, dass der Sieger im Marathonlauf der Männer einen Kranz vom Olivenbaum in Ano Vouves erhält. Die Siegerin im Marathonlauf der Frauen aber einen Olivenkranz vom Baum aus Kavousi bekommt. (2) An beiden Orten erfolgte das Schneiden der Zweige und das Binden der Kränze in feierlichen Zeremonien, an denen Vertreter der örtlichen Verwaltungen und der orthodoxen Kirche teilnahmen.

Nachdem wir uns im Schatten „unseres alten Baumes“ etwas ausgeruht haben, beginnen wir mit dem Abstieg. Der Bequemlichkeit halber wählen wir aber für den Rückweg nun die unbefestigte Straße. Auf dieser stoßen wir am Ortsausgang von Kavousi wieder auf die Staatsstraße.

Spaziergang durch Kavousi

Bei einem kleinen abschließenden Spaziergang durch Kavousi erleben wir wieder einmal wie eng auf Kreta altes und neues beisammen sind. In dem Ort finden wir alte Gehöfte, die noch in der typischen und einfachen kretischen Bauweise errichtet wurden. Das wichtigste Baumaterial waren einstmals unbearbeitete Feldsteine. Die einzelnen Gehöfte sind meistens nur durch kleine Gassen getrennt. Dieser alte Teil von Kavousi ist mittlerweile nicht mehr bewohnt.

Das alte Dorf Kavousi mit Häusern und Gassen in traditioneller Bauweise – Foto HUB

Wenige Meter weiter finden wir die neuen und modernen Häuser der Bewohner mit hübschen Vorgärten und vielfach eingerahmt von wunderschön blühendem Oleander und oftmals im Schatten ausladender Planeten.

Das neue, moderne Kavousi – Foto HUB

Nach unserem Spaziergang durch Kavousi beschließen wir einem Geheimtipp zur Gastronomie Kretas zu folgen.

Mochlos – Fischerdorf und Hafen der Minoer

Wir wollen das kleine Fischerdorf Mochlos besuchen. Dazu fahren wir auf der Staatsstraße weiter in Richtung Sitia hinauf in die Berge. An einem gut ausgeschilderten Abzweig biegen wir nach links in Richtung Mochlos ab und fahren wieder hinunter zum Meer. Auf der serpentinenartigen Abfahrt können wir schon von Weitem die Häuser von Mochlos ausmachen. Dem Ort vorgelagert ist die kleine unbewohnte Insel Agios Nikolaos. Zur rechten und linken Seite wird Mochlos durch eine sehr felsige und steinige Küstenlandschaft eingerahmt.

Ein Hafen der Minoer …

Fischerdorf Mochlos mit der vorgelagerten Insel mit der minoischen Siedlung – Foto HUB

Diese kleine Insel und der Ort Mochlos sollen nach Ansicht des Archäologen Thomas Brogan ein wichtiger logistischer Knotenpunkt der Minoer im Handel mit den ägäischen Inseln, dem Vorderen Orient und Ägypten gewesen sein. Zur damaligen Zeit soll ein Damm die Inseln und den Ort verbunden haben, wodurch zwei Buchten entstanden, in denen die Handelsschiffe ankerten. Ausgrabungen von minoischen Siedlungen auf der Insel lassen auf Werkstätten schließen, in denen u.a. Olivenprodukte für den Export hergestellt wurden. Im Austausch sollen über diesen Hafen Produkte für den Palast von Knossos eingeführte worden sein (3).

… und Ort der Gastlichkeit

Mochlos selbst ist ein sehr kleiner Ort mit gepflegten und schönen Anwesen, dessen Bewohner überwiegend vom Fischfang und dessen unmittelbarer Vermarktung leben. So finden wir in dem kleinen Ort vier Fischtavernen, die direkt am Wasser bzw. am Hafen gelegen sind und die vor Jahren noch überwiegend von Einheimischen aus der näheren und weiteren Umgebung besucht wurden. Mittlerweile hat sich die Qualität der hier angebotenen Fischgerichte auch zunehmend unter den Touristen herumgesprochen. So haben nunmehr auch Touristen diese Tavernen entdeckt. Obwohl die Touristen für die Tavernen sicher eine wichtige Einnahmequelle sind, hat sich der Ort noch nicht primär dem Tourismus verschrieben, sondern vielmehr seinen ursprünglichen Charakter bewahrt.

Fischtavernen in Mochlos, ein Geheimtipp – Foto HUB

Nachdem wir in einer der Tavernen Platz gefunden haben, können wir bei gegrilltem Seehecht einen erlebnisreichen Tag in einer wunderbaren Umgebung ausklingen lassen, bevor wir die Rückfahrt nach Agios Nikolaos antreten.

Quellen:
(1)       Myrsini Lambarski: „Olivenöl das Elixier der Langlebigkeit mit 42 traditionellen Rezepten“; Originalverlag Niereas – Athen 1999
(2)       Der Olivenkranz-Konflikt – Neue Züricher Zeitung 27.08.2004, Amalia van Gent
(3)       Film „Das Reich des Minotauros“ – ausgestrahlt auf Servus TV am 20.7.2020

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